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Der letzte Dandy

Gebundenes Buch
Seitenanzahl: 224 S.
Format: 2.5 x 22 x 14
ISBN/EAN: 9783813502084
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Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard, der entscheidend das Denken des 20. Jahrhunderts beeinflusste, war eine schillernde Figur. Zeit seines Lebens spielte er mit dem Gedanken, mit einem autobiographisch gefärbten Roman die Kopenhagener Gesellschaft zu schockieren. Nun inspirierte dieses nie vollendete Projekt den Schriftsteller Klaas Huizing zu einem klugen, herrlich doppelbödigen und unterhaltenden Stück Literatur über Erotik, Eitelkeit und messerscharfe Ironie. Zwei Herren lustwandeln an den Gestaden des Paradieses und plaudern in gepflegtem Ton. Sie lassen es an geistreichen Komplimenten füreinander nicht fehlen und insbesondere Thomas, einst im irdischen Dasein ein hochangesehener Literat, beklagt die himmlische Durchschnittsware, mit der man sich abgeben muss. Sören, empfindsam und stets in raffinierter Toilette, gesteht, dass er an einer Romanbiographie arbeitet. Thomas, erfahrener Wortkünstler, bietet seine Hilfe an. In langen Gesprächen taucht Sören in seine kurze intensive Erdengeschichte ein, erzählt von der erdrückenden Welt seiner dänischen Familie, aus der er einst auszubrechen versuchte. Als Dandy wurde er stadtbekannt. Aber konnte er sich aus dem Kokon des protestantischen Puritanismus befreien, erotische Gefühle und körperliche Lust nie wirklich auskosten. Alles geriet zur Inszenierung bis hin zu seinem frühen irdischen Tod.

Leseprobe

Wanderungen in der Gehirnkammer und rosige Finger 'Er verstand es durchaus, verehrter Thomas, die Zeit auszufüllen, zumal wenn ein Gast erschien, mein Vater, der sich früh von allen Geschäften aus der Strumpf- und Kolonialwarenbranche zurückgezogen hatte. Dann kam eine frische Lebendigkeit in seine Züge, dann kehrte der Witz zurück, die Zunge erinnerte sich der Bildung, hören Sie ...' ... die Zunge erinnerte sich der Bildung, man sah ihm an, wie er die Gedanken formte, erwog und abschmeckte, bedächtig, ohne Hetze; erst dann wurden sie mit Liebe aufgetragen, so wie ein Koch seine Gerichte zubereitet und zunächst sein eigener strenger Richter ist, der auf einen anderen Richter trifft, den Gast, dessen Mienenspiel ein erstes Urteil fällt, manchmal Begeisterung, manchmal Reserve, selten Ablehnung signalisiert, und Sören verhielt sich still in einer Ecke des Zimmers, vergaß sein Spielzeug, sah sich satt an den Trüffeln, die sein Vater aus der Gehirnkammer hervorholte und seinem Gast vorsetzte. Diese Gehirnkammer schien nie leer zu werden, spendete auch überreichen Trost, wenn sein Vater ihm untersagte auszugehen, entschieden Tändeleien und Ablenkungen unterband. Dann nahm er ihn, um die Stimmung zu retten, an die Hand und ging mit ihm auf der Diele spazieren, fragte freundlich, wohin es gehen sollte. Bettelte Sören: zum Lustschloss, dann sagte Michael Pedersen Kierkegaard: Es werde ein Lustschloss!, und es ward ein Lustschloss vor Augen gemalt, bevor sie die Diele halb durchschritten hatten. Sören erkannte das gusseiserne Tor mit dem fein ziselierten Wappen. Sie gingen über den knirschenden Kies. Sören stellte sich auf die Zehenspitzen und riskierte einen verstohlenen Blick auf den festlich gedeckten Tisch, zählte die Kronleuchter, entdeckte einen Sprung in einem Weinglas, rügte kopfschüttelnd die schlampige Dienerschaft, fragte nach der Bedeutung des abgetrennten Kopfes auf dem mächtigen Wandgemälde. Sie umkreisten mehrmals das geheimnisvolle Schloss mit den vielen Fenstern und Türen. Sören grub mit den Händen einen vermutlich von einem Hund ausgebuddelten Rosenstock wieder ein und grüßte am Tor freundlich einen Mann, den sie für den Gärtner hielten. Auf dem Rückweg wäre der vor Aufregung tänzelnde Sören beinahe unter eine Kutsche geraten; das Rattern der Räder war so laut, dass er den warnenden Ruf seines Vaters überhörte und nur knapp einem Unglück entging. Um den Schrecken zu lindern, durfte er bei der Kuchenfrau, die in der Nähe des Hafens ihren Stand betrieb, kandierte Früchte kaufen, die ihm so gut schmeckten, dass er beim Mittagessen keinen Hunger verspürte. Nach einer halben Stunde war Sören von den phantastischen Abenteuern, die er erlebt hatte, ohne einen Schritt vor die Tür gemacht zu haben, so erschöpft, dass er sich für den Rest des Tages erholen musste. 'Nächstens gehen wir zum Strandweg', sagte Sören, wie um seinen Vater zu trösten. Oft aber saß sein Vater zusammengekauert am Fenster und starrte stundenlang nach draußen. Sören erkannte zwar die an den Schläfen ergrauten Haare, die, sorgfältig gekämmt, die Geheimratsecken verdeckten, die großen, mächtig hervortretenden Augen, die dem Gesicht ein leichtes Staunen auferlegten, den dünnlippigen Mund, der Sören auf den Spaziergängen verzaubern konnte, aber alle Energie war aus dem Gesicht gewichen; die Augen wirkten müde, die Wangen waren eingefallen, die Blässe und Schlaffheit des Gesichts zog alle Kraft aus dem Raum. Nur gelegentlich rollte sein Vater mit dem Kopf, als könne er sich nicht entschließen, auf seine eigenen forschenden Fragen mit einem Ja oder einem Nein zu antworten. Sein Vater hatte sich zurückgezogen, ging in seinem Innern durch die Räume, erprobte die Fundamente und die Substanz, klopfte, horchte, bohrte, lüftete das Dachgeschoss, prüfte Herz und Nieren, tastete die Milz ab, das kleine, von Alkohol nahezu unbeschwerte Pankreas, stieg ab in die Kanalisation, kletterte wieder zurück, warf einen verstohlenen Blick i ...

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